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Feldwebel in der Stadtbücherei

Werte Leser, 

der nachfolgende Bericht schildert ein Erlebnis in der Stadtbücherei Münster unter dem Corona-Regime. Er ist von Michael Heß. Michael Heß hat unter anderem einen wichtigen Beitrag zur Reflexion und Aufarbeitung der Corona-Zeit im Buch „Ein Jahr Corona-Chaos. Erfahrungen mit dem Ausnahmezustand“ geleistet. Das Buch kann hier eingesehen und bestellt werden. 

Vor einigen Tagen sprach ich mit einem Professor der Rechtswissenschaften. Er äußerte sich sehr pessimistisch, was die öffentliche Aufarbeitung der Corona-Zeit betrifft. Er verwies auf das geringe öffentliche Interesse an der Aufarbeitung der Finanzkrise 2008 und der Flüchtlingskrise 2015. Ich denke, das fehlende Interesse an Aufarbeitung hat in erster Linie damit zu tun, dass die meisten Menschen weder das Gefühl haben, die Krisen seien tatsächlich überwunden worden, noch, dass die Mehrheitsgesellschaft und insbesondere der Staat eine gute Figur in den Krisen abgegeben hätten. Und wer beschäftigt sich schon gerne mit Dingen, die nicht gut gelaufen sind, oder lässt sich gerne auf diese Dinge hinweisen?  

Eine ähnliches Verhalten zeichnet sich bereits bezüglich der Aufarbeitung der Corona-Krise ab. Doch im Gegensatz zur Flüchtlingskrise und mehr noch zur Finanzkrise war die gesellschaftliche Spaltung diesmal ungleich tiefer. Viele Bürger waren unmittelbarer durch das in weiten Teilen desolate Agieren der Mehrheitsgesellschaft und des Staates betroffen. Millionen von Bürger als asoziale und unsolidarische Menschen zu betrachten und sie auch so zu bezeichnen und zu behandeln, weil sie sich keine mRNA injizieren lassen möchten, oder Millionen von Kindern gegen ihren Willen zum Bedecken ihrer Münder und Nasen zu zwingen, ist hart. Diesen Menschen dann ein paar Monate später zu erklären, dass die Maßnahmen und die soziale Ächtung doch „ein wenig“ übertrieben gewesen seien, ist dreist. Dann darauf hinzuwirken, eine offene Diskussion über die offensichtlichen Fehler autoritär abzuwürgen, weil man einen Macht- und Ansehensverlust fürchtet, ist eigennützig. Ein Eigennutz, der auf Kosten der Gesellschaft geht.     

Das ist eine problematische Entwicklung. Ich finde, wir sollten uns mehr um die Aufarbeitung der Krisen grundsätzlich und insbesondere der Corona-Krise bemühen. Totschweigen ist eine schlechte Option, denn wenn wir keine Aufarbeitung leisten, keine nachhaltigen Lösungen finden und keine vereinigende Erzählung entwickeln, werden die Fliehkräfte stärker und die Gesellschaft wird auseinandergerissen. Davon bin ich überzeugt – gerade auch, weil die nächsten Krisen bereits vor der Tür stehen.

Die nächste große Krise erreicht die Bürger dieses Landes gerade. Ihr Name ist Wirtschaftskrise. Ihr Vorbote ist Inflation. Ihre Konsequenzen sind Wohlstandsverlust, Verteilungskämpfe und eine weiter zunehmende Spaltung der Gesellschaft. Und was folgt dann? Mit dem Krieg in der Ukraine und dem wahrscheinlich bevorstehenden Krieg in Taiwan ist eine weitere große Krise für die Menschen in Deutschland im Anmarsch. Gegen die Auswirkungen der Totalität und der Repression in einem Kriegs-Regime verblassen die negativen Auswirkungen des Corona-Regimes geradezu.

Wie sollen wir diese großen Krisen durchstehen, wenn wir jetzt schon tief gespalten sind und weite Teile der Mehrheitsgesellschaft, der Leitmedien und des Establishments immer wilder auf die „Abtrünnigen“, „Unsolidarischen“ und „Andersdenkenden“ verbal-autoritär einschlagen und diese trotzdem immer zahlreicher und lauter werden, weil die realen Entwicklungen und Erlebnisse ihnen immer wieder neue Beispiele für ihre Kritik liefern?

Führung in unsicheren und schwierigen Zeiten bedarf in erster Linie Vertrauen. Wer Menschen zuhört und sie in ihren Motiven versteht —  auch wenn es manchmal schmerzt —  gewinnt Vertrauen. Wer das nicht kann oder will, verspielt Vertrauen.    

Ich bin sehr froh und dankbar, dass es Menschen wie Michael Heß bei uns im Münsterland gibt, die den Mut und die Kraft haben, ihre persönliche Sicht und Erfahrung darzulegen und für diese engagiert gegen einen kollektiven Strom einzutreten.

Herzliche Grüße,
Dr. Matthias Hartermann

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Es muß Ende September oder Anfang Oktober 2020 passiert sein. Der entspannte Sommer war vorbei und der erste Lockdown warf beginnend Schatten voraus. Das Klima in der Stadtbücherei hatte sich längst stark nachteilig verändert: Die Arbeitsplätze auf der Galerie waren ausgedünnt, Anmeldungen erforderlich bei fixen Zugangszeiten, viele Geräte wie die Kopierer entfernt, nur noch wenige Besucher liefen in den Räumen herum und der Eingang war mit einer lächerlichen “virenfesten” Plexiglasbox drapiert. Dann kann man genauso eine Scheune anmieten sowie Lagerregale hinstellen und die Funktionalität wäre die selbe – so meine Gedanken. 

Für den besagten Tag meldete ich mich per Internet für einen Arbeitsplatz an, durchlief die Zutrittsprozeduren und lief auf der Treppe in Richtung Galerie in der ersten Etage. Oben angekommen, kamen von rechts her zwei Handwerker im Blaumann. Einer der beiden sprach mit mit rüdem Tonfall an, ich hätte den Lappen korrekt aufzusetzen (ein Teil der Nase war frei). Nach rund 30 Jahren Nutzung der Bücherei kannte ich alle wesentlichen Mitarbeiter zumindest vom Sehen, der Kerl (der Name ist bekannt) war mir aber unbekannt. Aus seiner rechten Hosentasche baumelte etwas, was ein Namensschild sein konnte. In der Summe vermutete ich einen externen Handwerker und tippt mir an die Stirn. Worauf der Kerl aufdrehte und mich per Hausrecht der Bücherei verweisen wollte. Ich ignorierte ihn und setze mich an den bestellten Arbeitsplatz. Drei Minuten später kam der Kerl zurück in Begleitung zweier Mitarbeiter der Bücherei. Diese verhielten sich durchgängig korrekt, wiederholten aber die Äußerungen des Kerls. Da der Arbeitsplatz jederzeit gesperrt werden konnte, hatte ein Bleiben keinen Zweck. Ich verließ die Galerie, die beiden Mitarbeiter verbleiben folgend bei der Serviceinsel im Erdgeschoß und der Kerl brachte mich zm Ausgang. 

Auf dem kurzen Weg faselte er etwas von Unverantwortlichkeit und gesunder Lebensweise. Dabei war er nicht nur dick, sondern fett, ja adipös wie aus dem Bilderbuch. Ich sagte ihm, wer hier ungesund lebe auf Kosten der Sozialversicherten. Daraufhin wollte er eine Anzeige gegen mich erstatten, ich ließ ihn stehen. Eine Anzeige kam natürlich nicht, konnte auch nicht kommen aber der Kerl wollte Eindruck schinden. Wie sich später heraus stellte, war der Kerl doch Mitarbeiter der Stadtbücherei. Doch hatte ich ihn zuvor noch nie gesehen, er trug kein Namensschild und stellte sich auch nicht vor. 

Einige Tage später lag ein Schreiben der Stadt Münster im Briefkasten. Ich habe wegen meines ungebührlichen Verhaltens drei Monate Hausverbot. Einige Tage später ging ich nochmals in die Bücherei, um vorbestellte Medien abzuholen. Am Eingang wollte mir ein eifriger Mitarbeiter den Zutritt verwehren und ich wies ihn auf juristische Konsequenzen hin. Also doch durch zum Servicepunkt. Wo man mir in frostigem Ton mitteilte, es lägen keine Vorbestellungen vor und man könne deshalb auch nichts ausleihen. Seitdem habe ich die Statdtbücherei nicht mehr betreten. 

Was ist der Kern des Geschehens? Es ist die zum Vorschein gekommene Feldwebelnatur dieses Kerls wie bei so vielen Anderen im Zuge der Maßnahmen. Endlich einmal etwas zu sagen haben und weil man das vorher nicht durfte, lag auch der Tonfall im Unmöglichen. Es waren diese kleinen Naturen, diese Feldwebel in Zivil, die die noch folgenden Maßnahmen so begeistert wie eilfertig mittrugen und umsetzten. 

Das Folgende hängt nicht unmittelbar mit dieser Schilderung zusammen. Aber seit dem Ausscheiden der langjährigen Leiterin der Stadtbücherei, Monka Rasche, im Mai 2019, befindet sich die Bücherei in einer Abwärtsspirale. Dazu tragen externe wie interne Faktoren bei. Zu den inneren Faktoren zählt der Tonfall mancher Mitarbeiter gegen Besucher, das war auch schon vor Corona der Fall. Nein, längst nicht alle aber unterm Strich doch zu Viele. Es ist eine Beobachtung, die mir durch Dritte immer wieder bestätigt wurde. Das wunderbare Haus, Jahrzehnte laut Branchendienst eine der Topeinrichtungen in der Bundesrepublik, steht vor einer trüben Zukunft.