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Mensch Münster! – Wie sich das hiesige Bistum in den politischen Wahlkampf einbringt und die Pfarrbücherei der Nachbarschaft Bürger bei der Wahlentscheidung lenken möchte

Werte Leser,

dass das Marketing der Stadt Münster und der Kirchen mehr das Herz als den Verstand der Bürger erobern möchte, ist für den aufmerksamen Beobachter der öffentlichen Angelegenheiten in Münster schon seit langem auffällig. 

Der aufmerksame Beobachter nahm bisher die eher sonderlichen Marketingaktionen der Stadt und der Kirchen mit der Gelassenheit eines spanischen Mastiffs zur Kenntnis und widmete sich dann wieder den wichtigen Angelegenheiten in seinem Leben. 

Doch seit den jüngsten Auswüchsen des staatlichen und kirchlichen Aktionismus in der Corona-Zeit hat sich etwas im Verhalten des aufmerksamen Beobachters geändert. Er nimmt nun die staatlichen und kirchlichen Marketingaktionen nicht mehr einfach als sonderlich war, sondern vielmehr als lästig und übergriffig. Er beginnt, Fragen zu stellen. 

Aber lesen Sie selbst…

Herzliche Grüße,
Matthias Hartermann

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Einige Wochen vor der Bundestagswahl Ende Februar 2025 schmückten sich die Kirchen in Münster und auch einige Geschäfte auf dem Prinzipalmarkt mit bunten Bannern, Fahnen und Herzen. Offensichtlich eine Marketing-Aktion des Bistums Münster unter dem Motto „Mensch Münster! Lebe Freiheit!“.  

Aufmerksam war ich auf die Aktion bei einem Spaziergang durch die Innenstadt geworden. Ein abgedruckter QR-Code führte mich auf die Website der Aktion, auf der ich mir einen schnellen Überblick über ihre Idee und ihre Ziele verschaffte (dazu später mehr…). Ehrlich gesagt wäre es nach dieser kurzen Recherche bei einem innerlichen und äußerlichen Kopfschütteln über die Entscheidung der Kirche, mit einer derart oberflächlichen Aktion prominent in die Öffentlichkeit zu treten und ihre doch zunehmend schwindenden Ressourcen für so einen Marketing-Schmarrn einzusetzen, geblieben. 

Doch mein nächster Besuch in der nachbarschaftlichen Pfarrbücherei — in die ich ansonsten sehr gerne und sehr regelmäßig gehe — konfrontierte mich auf derart massive Weise mit dieser Aktion, dass mich folgende Fragen geradezu verfolgten:

Warum mischt sich die Kirche derart in den politischen Wahlkampf ein? Wohin will mich die Kirche lenken? Wird mir hier eine Wahlentscheidung vorgegeben?

Was hatte die Pfarrbücherei gemacht, um diese Fragen zu provozieren?

Zunächst war mir ein Aushang im Schaukasten aufgefallen: Ein Plakat. Im Zentrum ein großes, grünes Herz. Wörter darin: Bücher, Lesen, Genuss, Spass, Vergnügen. Darunter die Ansprache, das Team der Bücherei freue sich auf Besuch. So weit, so verständlich. Dann etwas merkwürdig: über dem großen Herzen drei bunte Herzen der Aktion der katholischen Kirche „Mensch Münster! Lebe Freiheit!“. Was hat das Lesen von Büchern mit der Aktion der der Kirche zu tun? Fragte ich mich. Freut sich das Team der Bücherei nur auf Leser, die sich mit der Aktion der katholischen Kirche identifizieren? Versucht die Pfarrbücherei mir gar vorzuschreiben, nur Bücher zu lesen, deren Autoren den Geist der Aktion teilen? Doch dann wird das Plakat der Pfarrbücherei explizit in seiner politischen Ansprache. „Münster strahlt gegen Rechts“ stand in zwei Bannern unten auf dem Plakat, auch hier wieder Herzchen. Dieses Banner fand sich dann auch prominent an der Eingangstüre der Bücherei wieder. 

Was wollte das Team der Pfarrbücherei den Besuchern hier mitteilen? Dass Einzelpersonen und kleine Gruppen, die kriminelle Handlungen aus rassistischen Motiven begehen, in der Bücherei nicht erwünscht sind? Besuchen solche Kriminellen überhaupt die Pfarrbücherei? Wohl kaum. Oder galt der Slogan des Teams der Pfarrbücherei vielmehr dem Wähler „rechter“ Parteien? Will die Pfarrbücherei ihn von seiner Wahlentscheidung erretten? Ist dieser Wähler dem Team als Kunde vielleicht gar unerwünscht? 

Mit dieser Eröffnung im Außenbereich war das politische Sendungsbewusstsein der Bücherei aber keineswegs erschöpft. Als ich es dann endlich in die Bücherei geschafft hatte, empfing mich auch dort eine geballte Ladung Politik und Kirche.

Im Erwachsenenbereich der Bücherei fand sich, prominent im Entrée, ein Tisch mit Literatur rund um Politik. Neben Büchern von und über Politiker wie Robert Habeck lag im Zentrum das Tagebuch der Anne Frank. Drumherum: zahlreiche Aufkleber der Aktion „Mensch Münster! Lebe Freiheit!“. 

Was war nun hier die Botschaft? Die Aktion der katholischen Kirche in einer Tradition mit Anne Frank und ihrem Überlebenskampf unter einem totalitären Staatsregime? Aus dieser Tradition heraus Stimmung Machen für oder gegen politische Positionen heutzutage? Und wenn ja, für oder gegen welche konkreten Positionen? Für oder gegen welche politischen Parteien?

Vor dem Hintergrund meiner vorangegangenen Recherche zu der Aktion der Kirche war ich sehr verblüfft, mit welchem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein hier offensichtlich von der katholischen Bücherei Wahlkampf betrieben wurde. 

Daher warf ich im Nachgang meines Erlebnisses in der Pfarrbücherei einen zweiten, dieses Mal genaueren, Blick auf die Aktion der katholischen Kirche.

Auf deren Website (https://lebefreiheit.de) heißt es: Die Idee der Aktion sei, sich „klar gegen populistische und extreme Tendenzen, die die Demokratie bedrohen“, zu positionieren. Ziele seien, die „Demokratie [zu] fördern und dafür [zu] sensibilisieren, dass es auf jeden Einzelnen und jede Einzelne ankommt“ und zweitens „gemeinsam [dafür zu] sorgen, dass Freiheit, Vielfalt, Gerechtigkeit und Mitbestimmung die Grundpfeiler unserer Gesellschaft bleiben“.

Meine Verblüffung nahm angesichts dieser Aussagen auf der Website weiter zu, genauso wie meine Fragen.

Die katholische Kirche, so heißt es im dritten Absatz über die Idee der Aktion, habe den Auftrag, sich für Nächstenliebe, Vielfalt und Toleranz einzusetzen.

Wer hat die Kirche beauftragt? Vor welchem Hintergrund fühlt sich die Kirche beauftragt? Was bedeuten die Werte Nächstenliebe und Toleranz hier konkret? Was bedeutet „Vielfalt“ neben diesen beiden Werten? Der Begriff steht semantisch nicht auf einer Ebene mit Nächstenliebe und Toleranz, da Vielfalt kein Wert ist. Auf einer Ebene wäre vielmehr die Akzeptanz von Vielfalt (Im Übrigen bleibt noch dazu offen, wovon sich die Kirche Vielfalt wünscht.).

Weiter heißt es, „Desinformation, Gleichgültigkeit und autoritäre Tendenzen gefährden unsere Freiheit und unsere Werte“.

Desinformation wesbezüglich und Gleichgültigkeit was gegenüber stuft die katholische Kirche als gefährlich ein? Worin konkretisieren sich ihres Erachtens autoritäre Tendenzen, also Kräfte, die agieren, ohne vom wahlberechtigten Bürger autorisiert worden zu sein? Was genau sind „unsere“ Freiheit und „unsere“ Werte? Spricht das Bistums hier stellvertretend für ganz Deutschland? Angesichts der aktuellen politischen Debatten scheint es in Deutschland über die inhaltliche Füllung von Freiheit und Werten keineswegs einen Konsens zu geben.

Die katholische Kirche, so heißt es dann, positioniere sich klar gegen populistische und extreme Tendenzen, die die Demokratie bedrohten.

Welche extremistischen und populistischen Tendenzen sind konkret gemeint? Welchen Demokratiebegriff legt die Kirche hier überhaupt zugrunde, die sie fördern möchte? Selbst in dem im April 2019 in Zusammenarbeit von EKD und DBK entstandenen Papier „Demokratie stärken“ findet sich – und das ist angesichts des Themas natürlich ein großes Manko – keine Definition dieses Begriffes.

Wow! Das verlangte nach Antworten.

Ich schrieb der Pfarrbücherei eine Mail (Sie ist angehängt.), gab meine inhaltlichen Anfragen weiter und bat um einen konstruktiven Austausch. 

Tatsächlich bekam ich sehr rasch eine freundliche Antwort. Es hieß, man freue sich über mein Interesse an ihren Aushängen und dem Tisch, und erklärte, dass man „mit [dem] Plakat und dem Büchertisch lediglich zur Diskussion anregen, auf keinen Fall Stimmung machen, schon gar nicht für oder gegen eine Partei Stellung beziehen [wolle]“. Außerdem lud man mich zu einem Gespräch über Aushang und Büchertisch ein. Zu Idee und Zielen der Aktion des Bistums könne man nichts sagen, man habe sich als Pfarrbücherei lediglich angeschlossen. Ich möge mich direkt an das Bistum wenden, um diesbezüglich Antworten zu erhalten. 

Geschrieben, getan: Wir verabredeten uns zu einem Gespräch am Wahlsonntag. Und ich schrieb eine Mail mit meinen inhaltlichen Fragen zur Aktion an das Bistum Münster.

Auf meine E-Mail an das Bistum Münster habe ich bis heute KEINE Antwort bekommen, es gab nicht einmal den Hinweis, man müsse sich später melden, weil gerade so viel los sei.

Aber das Gespräch fand statt!

Zwei Mitarbeiter aus dem Leitungskreis der Bücherei nahmen sich Zeit und es kam zu einem ruhigen und angenehmen Austausch. 

Es stellte sich heraus, dass es keine Absprache mit der Ortsgemeinde, also der katholischen Kirche nebenan, die auch bei der Aktion „Mensch Münster, lebe Freiheit!“ mitgemacht hat, gegeben hatte. Das Team der Bücherei bzw. einzelne Personen waren auf die Idee gekommen, sich dadurch anzuschließen, dass man einen Aushang und einen Büchertisch entsprechend gestaltete. Zur Aktion selbst, also zu ihrer Idee und ihren Zielen, sowie dem Gedanken, sich anzuschließen, hatte es im Team zuvor keinen Austausch gegeben. Einer meiner Gesprächspartner war per Zufall die Dame, die den Aushang im Schaukasten gestaltet hatte. Zur Begründung  für die Kombination der beiden Themenfelder „Genuss durch Lesen“ und „Mensch Münster, lebe Freiheit!“ führte sie an, dass das Herz, das die kirchliche Aktion zum Symbol hat, gut zum Herzen, das sie in Anlehnung an eine Postkarte, die sie einmal geschickt bekommen habe, in die Mitte des Aushangs gesetzt hatte, passe. Eine inhaltliche Deutung, wie sie mir in den Sinn gekommen war (siehe oben), sei nicht intendiert gewesen. 

Dass das Plakat „Münster strahlt gegen Rechts“ aufgehängt worden war, wurde mit der Geschichte der Stadt, in der sich Kardinal von Galen einst im Kampf gegen den Nationalsozialismus hervorgetan habe, begründet. Die Stadt sei stolz auf diese Haltung, die sie bis heute zeige, wie die geringe Zahl an Stimmen, die hier für die AfD abgegeben werden, beweise. Ja, hier geschah dann zum ersten Mal, wovon man sich in der Mail an mich noch distanziert hatte: Rechts und AfD wurden gleichgesetzt ­– und durch das Plakat sollte genau das gemacht werden, was offensichtlich war: nämlich Stimmung gegen die AfD.

Es wurde im weiteren Verlauf dann tatsächlich auch expliziert, dass die Pfarrbücherei mit diesem Plakat an der Eingangstüre dazu aufrufen möchte, „mit Sinn und Verstand zu wählen, alles zu wählen, nur nicht die AfD“. Damit stelle man sich auf die Seite der Kirchen, die bereits offiziell erklärt haben, dass ein Christ die AfD nicht wählen dürfe ((https://katholisch.de/artikel/59256-in-sachen-afd-sind-die-kirchen-einig-nicht-waehlbar-fuer-christen; https://www.ekd.de/die-afd-tritt-das-christliche-menschenbild-mit-fuessen-83384.htm; 4.3.2025).  Warum die AfD nicht wählbar sei, wollten oder konnten die Mitarbeiter indes nicht konkretisieren. 

Dass die Begriffe „rechts“, „links“, „Demokratie“, „Freiheit“ etc., die im Rahmen der kirchlichen Aktion und auf den Materialien der Bücherei bemüht werden, schwammig sind und deren inhaltliche Füllung gerade aktuell keineswegs unumstritten und trennscharf ist, war zwar Konsens in unserem Gespräch. Wir konnten uns auch darauf verständigen, dass es sich hierbei um sogenannte buzzwords handele. Meint hier: Man macht Werbung mit „Freiheit“ und alle sind dabei – Freiheit kann ja nichts Schlechtes sein, oder? Doch wovon oder wofür jemand frei sein möchte, bleibt völlig unklar. Nur hatte diese Erkenntnis im Vorfeld ja leider nicht zu einer kritischen Reflexion ihres Gebrauchs geführt und auch im Nachgang tat sich in dieser Hinsicht offensichtlich nichts, denn die Plakate hängen auch drei Wochen nach der Bundestagswahl immer noch unverändert trotzig vor und in der Bücherei.

Zur Auswahl der Medien auf dem Büchertisch wurde mir Folgendes erklärt: Dass dort das Tagebuch der Anne Frank liege, habe nichts damit zu tun, sich mit der Aktion des Bistums oder als Pfarrbücherei in eine Tradition mit ihr und ihrem Überlebenskampf unter einem totalitären Staatsregime zu stellen. Aber Anne Frank sei Teil der deutschen Geschichte und gehöre zu unserer Gesellschaft. Somit sei das Tagebuch wie im Übrigen andere Bücher auch eine Möglichkeit, die Leser zum Nachdenken anzuregen, zumal ja eigentlich alle Bücher irgendwie politisch seien. Auf meinen Einwand hin, dass ja nur die Kontroverse zum Nachdenken anregen könne und es daher auch Medien bedürfe, die das (aktuelle) politische Geschehen aus einer anderen Perspektive beurteilen als es beispielsweise die „Kursbestimmung“ von Habeck tut, wurde mir entgegnet, dass das Budget der Bücherei nicht dazu reiche, zu einem Thema, das ja nur ein paar Wochen — nämlich unmittelbar vor der Wahl — angesagt sei, viele Medien einzukaufen. Mir drängte sich da zum wiederholten Male der Eindruck auf, ich als mündiger Bürger solle durch das „Programm“ der Bücherei in Kombination mit dem der katholischen Kirche gelenkt werden. Ich wies darauf in unserem Gespräch hin und äußerte meine Irritation darüber, dass die Bücherei davon ausgehe, dazu qualifiziert zu sein, andere Erwachsene, in dem Fall mich, zu lenken. Das empfände ich als übergriffig. Dies wiesen die beiden Gesprächspartner von sich und erklärten noch einmal, man wolle lediglich zur Reflexion anregen.

Tja, mich haben sie auf jeden Fall zur Reflexion angeregt, nur bei sich selbst scheinen sie davor Halt gemacht zu haben – sowohl vorher als auch während unseres Gesprächs als auch im Nachhinein. Meine Conclusio sowohl des Mailverkehrs als auch des Gesprächs ist, dass die an der Unterstützung der kirchlichen Aktion Beteiligten erschreckend wenig nachgedacht haben und sich ohne kritische Abwägung einer inhaltlich ziemlich unausgegorenen, mit buzzwords hantierenden, mit pinken Herzen auf Effekthascherei ausgerichteten und in einem sonst auf Nachhaltigkeit drängenden Bistum enorme Ressourcen (Fahnen, Plakate, Website, Postkarten, Sticker, Tattoos, Jutebeutel und Vorlagen für Social-Media-Kanäle) verschlingenden Aktion angeschlossen haben, weil es aktuell zum guten Ton gehört, gegen „rechts“ zu sein und sich moralisch zu entrüsten, und es mittlerweile völlig egal zu sein scheint, was „rechts“ ganz konkret ins Münster ist, auf welchem geistigen Fundament man sich entrüstet und in welchem Modus das geschieht. 

Dass das Bistum Münster mir seit vier Wochen eine Antwort schuldig bleibt, spricht Bände, was deren Überzeugung vom eigenen Marketing angeht. Dumm nur, dass sich immer noch viele finden, die einfach mitmachen statt nachzudenken und mündig zu sein.

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E-Mail an die Pfarrbücherei:

“Liebes Team der Pfarrbücherei,

Ihren Aushang im Schaukasten sowie Ihre Plakatierung und den Büchertisch zu Verbrechen der NS-Zeit zum Anlass nehmend und als Wunsch verstehend, mit den Lesern der Bücherei in einen Dialog über Politik zu treten, schreibe ich Ihnen einige meiner Gedanken und Nachfragen zur Sache.

Ihnen diese schriftlich mitzuteilen, habe ich für günstiger gehalten, als im laufenden Büchereibetrieb mit einem oder zwei Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen, zumal es ja für das gesamte Team interessant sein kann, darüber in einen Austausch zu kommen.

Mich treibt schon länger, natürlich auch von Berufs wegen, die Frage um, ob überhaupt und wenn ja, inwieweit die (verfasste) Kirche – sei sie katholisch oder evangelisch – politisch engagiert sein darf und soll.

Das hiesige Bistum und auch Sie scheinen in dieser Frage schon klar zu sein, wie mir der letzte Büchereibesuch am Sonntag sehr deutlich und in nicht zu übersehender Weise gezeigt hat.

Zunächst einmal ist mit Ihr neuer Aushang im Schaukasten aufgefallen:

Er bringt einmal das Bücher Lesen mit Genuss und Freude in Verbindung und andererseits zum Ausdruck, dass Sie sich auf Ihre Leser freuen. Außerdem verknüpft er diese positiven Gefühle mit der aktuellen Aktion der katholischen Kirche „Mensch NRW! Lebe Freiheit!“.

Ein Blick auf die Internetseite dieser Aktion verrät, dass es der katholischen Kirche hier um Folgendes geht.

„Wir […] haben einen Auftrag und setzen uns für Nächstenliebe, Vielfalt und Toleranz ein. Wir positionieren uns klar gegen populistische und extreme Tendenzen, die die Demokratie bedrohen. Unsere Kampagne möchte Demokratie fördern und dafür sensibilisieren, dass es auf jeden Einzelnen und jede Einzelne ankommt.“

Angesichts dieser Beschreibung dessen, wofür die Kirche mit dieser Aktion eintreten möchte, stellen sich mir nun verschiedene Fragen:

  1. Wer hat die Kirche beauftragt? Vor welchem Hintergrund fühlt sich die Kirche beauftragt?
  2. Was bedeuten die Werte Nächstenliebe und Toleranz konkret?
  3. Was bedeutet „Vielfalt“ neben diesen beiden Werten? Der Begriff steht semantisch nicht auf einer Ebene mit Nächstenliebe und Toleranz, da Vielfalt kein Wert ist. Auf einer Ebene wäre vielmehr die Akzeptanz von Vielfalt.
  4. Welche extremistischen und populistischen Tendenzen sind konkret gemeint?
  5. Was genau ist „unsere“ Demokratie? Spricht die katholische Kirche NRW hier stellvertretend für ganz Deutschland? Angesichts der aktuellen politischen Debatten scheint es in Deutschland über die inhaltliche Füllung von Demokratie allerdings aktuell keinen Konsens zu geben.
  6. Welchen Demokratiebegriff legt die Kirche hier überhaupt zugrunde, die sie fördern möchte? Selbst in dem im April 2019 in Zusammenarbeit von EKD und DBK entstandenen Papier „Demokratie stärken“ findet sich – und das ist angesichts des Themas natürlich ein großes Manko – keine Definition dieses Begriffes.

Und im Hinblick auf Sie, die Sie sich dieser Aktion angeschlossen haben, stellt sich mir diese Frage:

  1. Freuen Sie sich aktuell bzw. grundsätzlich nur auf die Leser, die diese auf mich angesichts der gerade benannten Fragen sehr unausgegoren wirkende Aktion unterstützen? Und lässt sich hier im Subtext eigentlich die Botschaft ausmachen, dass nur das zu lesen sein dürfe, das mit dem Geist der Aktion vereinbar sei?

Nun zum Plakat an der Eingangstüre:

Geht man auf Ihre Eingangstür zu, entdeckt man ein Plakat mit der Aufschrift „Münster strahlt gegen rechts“. Derlei Plakate sind nicht nur in Räumen der katholischen Kirche, sondern auch in Geschäften der Stadt zu finden. Was wollen Sie damit sagen, wenn Sie bei dieser Aktion mitmachen? Dass Bürger, die eine „rechte“ Partei mit migrations- und europakritischen Positionen wählen, bei Ihnen als Gast und Kunde nicht erwünscht sind? Oder haben Sie hier vielmehr Einzelpersonen und kleine Gruppen im Blick, die gesetzwidrig und kriminell Handeln, um ihre Ziele durchzusetzen? Besuchen diese überhaupt die Pfarrbücherei?

Schließlich der Büchertisch im Erwachsenenbereich:

Im Erwachsenenbereich findet sich, prominent im Entrée, ein Tisch mit Literatur rund um die Verbrechen der NS-Zeit, beispielsweise das Tagebuch der Anne Frank. Ebenfalls auf dem Tisch liegen zahlreiche Aufkleber der Aktion „Mensch NRW! Lebe Freiheit!“, mit der die katholische Kirche sich laut Eigendarstellung für eine wie auch immer definierte Demokratie einsetzen und sich gegen radikale und extreme Tendenzen positionieren möchte. Was ist hier die Aussage? Möchten Sie sich und die Aktion der katholischen Kirche damit in eine Tradition mit Anne Frank und ihrem Überlebenskampf unter einem totalitären Staatsregime und ihre Ermordung durch die Mitläufer dieses Regimes stellen? Sehen Sie sich und die katholische Kirche aus dieser Tradition heraus berufen, gegen politische Positionen heutzutage Stimmung zu machen? Und wenn ja, für oder gegen welche konkreten Positionen möchten Sie Stimmung machen? Für oder gegen welche politischen Parteien möchten Sie Stimmung machen?

Ich freue mich auf einen konstruktiven Austausch zu ihren politischen Aktionen, mit denen Sie mich und meine Kinder als regelmäßige Besucher Ihrer Pfarrbücherei konfrontieren!

Freundlich grüßt
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