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Staatliche Gesundheitsinstitutionen NRW: Unvollständige Argumentation zur Maskenpflicht an Schulen

Werte Leser,

die Corona-Maßnahmen des Landes NRW sahen vor, dass Grundschüler stundenlang jeden Wochentag über Monate hinweg FFP2- oder OP-Masken während des Unterrichts trugen. 

Wie luftdurchlässig ist eigentlich eine vor Speichel triefende Gesichtsmaske?

Wie nehmen Kinder Lehrer und Mitschüler war, deren Mimik sie nicht sehen und interpretieren können, und wie grundlegend  prägen diese Eindrücke das Sozialverhalten der Kinder?

Wie wirkt sich ein permanentes Gefahrensignal vor Mund, Nase und Augen auf den Stoffwechsel und das Adrenalinlevel von Kindern aus?

Das sind keine theoretischen Fragen, die in einen universitären Elfenbeinturm oder hinter geschlossene Behördentüren gehören, sondern diese Fragen stellen sich in einer aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft mit der Einführung der allgemeinen Maskenpflicht an Schulen aller Öffentlichkeit und müssen auch im öffentlichen Raum diskutiert werden. 

Nachdem Josephine Heinrich (Referat 223, MSB) auf meine Fragen zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Maskenpflicht auf Schüler angab, dass das Bildungsministerium über keinerlei Expertise zur Beantwortung der Fragen verfüge und sich diese Expertise auch nicht aneignen werde, stellte ich die Fragen Gerhard Herrmann (Abteilung V, Gesundheitsvorsorge, MAGS) und Vanessa Stenzel (Referat VA1, Gesundheitsrecht, MAGS) sowie der Presseabteilung des Gesundheitsministeriums NRW.

Hier zur Erinnerung die beiden Fragen:

  1. Welche negativen Auswirkungen des Tragens einer Gesichtsmaske im Hinblick auf die physische und psychische Gesundheit der Schüler wurden bei der Entscheidung für die verpflichtende Maßnahme berücksichtigt?
  2. Welche Maßnahmen sind bisher unternommen worden, um die Folgen des Tragens einer Gesichtsmaske der Kinder im Unterricht zu evaluieren?

Am 12.12.2024 erhielt ich eine anonyme Antwort eines Mitarbeiters des Referates für Infektionsschutz. Ich gehe davon aus, dass es sich bei der antwortenden Person um den Leiter des Referats, Herrn Dr. Dybowski, handelt — bitte berichtigen, falls nicht zutreffend.

Ich paraphrasiere die Stellungnahme von Herr Dybowski  im Auftrag des Referates für Infektionsschutz des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) wie folgt — die vollständige Stellungnahme finden Sie unten:

Herr Dybowski ist bemüht die Maskenpflicht an Schulen zu rechtfertigen:

Die Argumentation wiederholt das bereits hinlänglich bekannte Muster des staatlichen Vorgehens: 

  1. SARS-CoV-2 wurde als erhebliches Risiko für die Gesundheit aller Bevölkerungsgruppen deklariert. 
  2. Die Maskenpflicht an Schulen wurde daraufhin zum Schutz der Schüler selbst sowie zum mittelbaren Schutz älterer Menschen eingeführt.
  3. Besorgniserregende Beeinträchtigungen der Schüler durch das tägliche, stundenlange Tragen der Maske über Monate hinweg wurden nicht gesehen.
  4. Im Wesentlichen und im Zweifel hielt man sich an die Vorgaben übergeordneter Behörden und Organisationen (RKI, WHO).

Meine Fragen wurden leider nicht direkt beantwortet. Es ist aber aus der Stellungnahme zu entnehmen, dass vor Einführung der Maskenpflicht sowie in der anschließenden Evaluation folgende Punkte berücksichtigt wurden:

  1. Besorgniserregende gesundheitliche Schäden und Beeinträchtigungen der physischen und kognitiven Leistungsfähigkeit durch CO2-Rückatmung.
  2. Negative physiologische und psychologische Effekte durch unterdrückte Gesichtsmimik.

Herr Dybowski sieht den ersten Punkt durch „zahlreiche Studien“ widerlegt und den zweiten Punkt zumindest „nicht wissenschaftlich belegt“. 

Nun stellt sich natürlich die Frage, welches substantielle Gewicht die Allgemeinplätze „zahlreiche Studien“ und „nicht wissenschaftlich belegt“ haben. Da Herr Dybowski keine weiteren Angaben dazu macht und insbesondere keine Studien von Dritten oder gar eigene Untersuchungen nennt, auf die er seinen Standpunkt stützt, muss  eine inhaltliche Diskussion erstmal zurückgestellt werden und ich fordere Herrn Dybowski auf, mir seine wissenschaftliche Grundlagen und die des Landes NRW zur Maskenpflicht an Schulen für eine angemessene Diskussion zu nennen. 

Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Hartermann

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Sehr geehrter Herr Hartermann,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 4. Dezember 2024, in welcher Sie Fragen zur Maskenpflicht an Schulen während der Coronapandemie stellen. In Ihrer Nachricht weisen Sie auch auf die Veröffentlichung der Antworten, die Sie bereits von der Schulleitung, dem Schulamt, der Schulaufsicht und dem Ministerium für Schule und Bildung erhalten haben, auf der Seite www.grundrechte-ms.de hin. In Ihrem Beitrag „Staatliche Bildungsinstitutionen NRW: Keinerlei Expertise zu den Auswirkungen der Maskenpflicht an Schulen“ vom 18. November 2024 legen Sie Ihre Sichtweise zu den Antworten dar. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ich teilweise den von Ihnen gewählten Ton im Beitrag für einen respektvollen Austausch für schwierig halte. Gerne bin ich sowie meine Kolleginnen und Kollegen bereit Ihnen zu antworten, solange dies mit gegenseitigem Respekt erfolgt.

Bezüglich Ihrer Fragen zu den Auswirkungen des Tragens einer Gesichtsmaske im Hinblick auf die physische und psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern sowie unternommene Maßnahmen zur Evaluation kann ich Ihnen von hiesiger Seite folgende Auskünfte geben:

Bei der Betrachtung von Maßnahmen zur Senkung der Anzahl von Risikosituationen und Risikominderung in Kontaktsituationen in der Coronapandemie müssen diese im zeitlichen Kontext sowie den verfügbaren Kenntnisstand eingeordnet werden. Die Coronapandemie war davon gezeichnet, dass schritthaltend mit dem stetig wachsenden Wissen über das sich stetig verändernde Virus und der fortlaufend dynamischen Infektionslage die Notwendigkeit einer fortwährenden Anpassung der Maßnahmen bestand. Innerhalb sehr kurzer Zeitspannen mussten aus wissenschaftlichen Daten Entscheidungsoptionen abgeleitet werden. Die Landesregierung musste in der Coronapandemie daher Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen unter höchstem Zeitdruck und unter Berücksichtigung verschiedener Einflussfaktoren treffen. Bei den Entscheidungen zu Maßnahmen hat sich die Landesregierung immer stark an den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts orientiert. Da das SARS-CoV-2-Virus vor allem über die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel von Mensch zu Mensch übertragen wird, sind insbesondere alltägliche Verhaltensweisen mit engen Kontaktsituationen mit einem hohen Infektionsrisiko verbunden. Die grundsätzliche Wirksamkeit von medizinischen Gesichts- und partikelfiltrierenden Halbmasken zur Verhütung und Bekämpfung der SARS-CoV-2- Infektion galt zunehmend als gesichert. Wohingegen die Befürchtungen, dass das Tragen von Gesichtsmasken – insbesondere von partikelfiltrierenden Halbmasken – zu besorgniserregenden gesundheitlichen Schäden oder Beeinträchtigungen der physischen und kognitiven Leistungsfähigkeit durch erhöhte CO2-Rückatmung führt, sich in zahlreichen Studien nicht bestätigt haben. Auch andere negative physiologische und psychologische Effekte – wie beispielsweise das verminderte Erkennen von Mimik und Gesichtsausdrücken durch Maskenbedingtes Verdecken des Mundes gerade in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen – wurden diskutiert, sind aber nicht wissenschaftlich belegt. Zum damaligen Zeitpunkt überwog daher bei der Entscheidung der Landesregierung der Schutz der Kinder und Jugendlichen von der Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus. Denn wie bei der erwachsenen Bevölkerung auch war das Wissen über die Infektiosität, Symptome und den Verlauf einer Coronainfektion bei Kindern und Jugendlichen insbesondere zu Beginn der Pandemie sehr begrenzt. Auch im weiteren Verlauf waren Daten aufgrund der hohen Sicherheitsstandards bei Kindern und Jugendlichen in klinischen Studien nur eingeschränkt oder zeitlich verzögert verfügbar. Ausgehend vom Infektionsgeschehen war jedoch grundsätzlich von einer Übertragung von SARS-CoV-2 von und innerhalb jeder Altersgruppe sowie einer Teilnahme von Kindern und Jugendlichen am Transmissionsgeschehen auszugehen. Diese Annahme wurde durch auftretende Coronaausbrüche in Kitas und Schulen bestätigt.

Verstärkt wurde die Risikosituation in der Altersgruppe von Kindern und Jugendlichen zudem dadurch, dass gerade in Kitas und Schulen viele Personen unterschiedlicher Haushalte zusammenkommen und die Infektionsschutzmaßnahmen von Kindern und Jugendlichen meist nicht konsequent eingehalten oder umgesetzt werden können bzw. Maßnahmen erst verzögert zur Verfügung standen (z. B. Impfungen für Kinder und Jugendliche). Neben dem Risiko eine Ansteckung aus Kitas oder Schulen in das persönliche Umfeld zu tragen und damit mögliche Risikopersonen für einen schweren Krankheitsverlauf anzustecken, waren zudem die Langzeitfolgen der Erkrankung für Kinder und Jugendliche (z. B. das „paediatric inflammatory multisystem syndrome“ kurz PIMS) zunächst nicht abschätzbar bzw. mussten aufgrund des Auftretens neuer Varianten teilweise wiederholt neu abgeschätzt werden.

Zum Schutz der Bevölkerung waren Maßnahmen beziehungsweise Maßnahmenbündel umzusetzen, die aufgrund der hohen Infektionsdynamik und eines drohenden exponentiellen Wachstums der Infektionszahlen nur im Kontext des jeweiligen Kenntnisstandes abgewogen werden konnten. Es war nicht möglich, Entscheidungen und staatliches Handeln auf einen Zeitpunkt in der Zukunft zu verschieben, an dem bessere oder abgesicherte empirische Ergebnisse vorliegen. Daraus folgte auch, dass Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, die zu einem bestimmten Zeitpunkt auf Grundlage aktueller Erkenntnisse getroffen wurden, zu einem späteren Zeitpunkt mit neuen Erkenntnissen und einer sich veränderten Lage angepasst werden mussten. Zu welchem Zeitpunkt Schutzmaßnahmen ergriffen bzw. aufgehoben wurden, war das Ergebnis eines durchgängigen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Abwägungsprozesses.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Erläuterungen die Entscheidungsprozesse der Landesregierung in der Coronapandemie verdeutlichen und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Referat für Infektionsschutz

Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
Fürstenwall 25, 40219 Düsseldorf

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