Werte Leser,
das Corona-Regime war natürlich auch an deutschen Universitäten präsent. An der Universität Münster gab es meiner Wahrnehmung nach überwiegend Mitläufer, manche Unterstützer und wenige Kritiker des Regimes.
Dass von der beamteten Professorenschaft und dem nach Beamtenstatus strebenden wissenschaftlichen Mittelbau wenig Kritik gegen das staatlich-autoritäre Corona-Regime ausgehen würde, war abzusehen. Ein bisschen Gemurre gab es, als die Betreuungslasten durch den eigenen Nachwuchs in Folge der Schulschließungen zunahmen. Doch war die Erleichterung bald spürbar, als mit dem Maskenzwang an Schulen ein wichtiges Argument gegen Schulschließungen gefunden worden war und man sich wieder in Ruhe seiner Arbeit und Karriere widmen konnte. Dass von den Studenten wenig Kritik gegen das repressive Corona-Regime ausgehen würde, war auch zu erwarten. Wer Angst vor Ausgrenzung hat, wenn er ein paar Semester länger als die Regelstudienzeit studiert, der wird kaum gegen restriktivere staatliche Vorgaben bei gleichzeitig heftigerem gesellschaftlichem Gegenwind rebellieren.
So trivial wie ich es geschrieben habe, ist es natürlich nicht. Der Druck zur Konformität ist sicher eine starke Gewalt im Leben junger Menschen. Spürbar und belastend wird sie, wenn die innere Überzeugung in eine entgegengesetzte Richtung weist. Wie groß war der Druck in der Corona-Zeit für junge Menschen, die den Corona-Maßnahmen kritisch gegenüberstanden oder die in besonderer Weise unter den Maßnahmen litten? In persönlichen Gesprächen haben mir Studenten der Uni Münster anvertraut, wie sie die Corona-Maßnahmen völlig aus der Bahn geworfen hätten; aus dem Studium, aus der Gesellschaft, aus dem Leben. Bei ihnen verstärkten sich oder entstanden zum ersten Mal durch die massiven Einschränkungen und Veränderungen im Studienalltag intensive, belastende Emotionen und Ängste. Die Belastungen gingen bei einigen so weit, dass schwerwiegende psychische Erkrankungen entstanden. Diese jungen Menschen sind hier, sie sind in Münster und in ganz Deutschland. Sie sind ein Teil der Kollateralschäden des Corona-Regimes.
Eine Möglichkeit, mit dieser belastenden Situation umzugehen und den emotionalen Druck zu mindern, ist es Gleichgesinnte und Freunde zu finden. Daher freue ich mich sehr, dass Studenten aus ganz Deutschland die Initiative „Studenten Stehen Auf“ (kurz: Stauf) gegründet haben. Studenten, die sich die letzten Jahre wie einsame Geisterfahrer auf der Autobahn gefühlt haben, können dort erfahren, dass es noch ganz andere Straßen gibt, auf denen sie gemeinsam mit anderen Studenten sicher und gefahrlos in die gleiche Richtung fahren und ihre Ziele und Wünsche erreichen können. Nur Mut!
Wie kritische Studenten über die Corona-Zeit und das Corona-Regime an den Universitäten denken, darüber gibt der nachfolgende Erlebnisbericht einer jungen Absolventin der Uni Münster einen eindrücklichen Einblick. Ihr Gedicht “Definition” schließt den Bericht ab.
Ich bin sehr froh und dankbar, dass es Menschen wie diese junge Absolventin bei uns im Münsterland gibt, die den Mut und die Kraft haben, ihre persönliche Sicht und Erfahrung darzulegen und für diese engagiert gegen einen kollektiven Strom einzutreten.
Herzliche Grüße,
Dr. Matthias Hartermann
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Universität ohne universitas
Ein Blick auf die WWU in der „Corona-Zeit“ aus studentischer Perspektive
Sucht man im Internet nach der Herkunft des Wortes „Universität“, stößt man auf der Seite des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache auf folgende Erklärung:
aus universitasmlat ‘autonome, sich selbst verwaltende Gemeinschaft von Lehrern und Schülern’ < ūniversitāsspätlat ‘Gemeinschaft von Menschen, politische Vereinigung, Korporation, Kollegium, Gilde, Kommune’ < ūniversitāslat ‘Gesamtheit, das Ganze, Welt(all)’ < ūniversuslat ‘ganz, sämtlich’
Gemeinschaft und Gesamtheit – das waren offenbar die Grundpfeiler der Universität. In der „Corona-Zeit“ wurde mit diesen Leitgedanken fundamental gebrochen. Distanz, Desinfektion, Digitalität – und auch Wissenschaftsferne im Sinne von ignorierten Studien und emotionalisierender Panikmache – waren die Gebote der Stunde. Kommilitonen und Dozenten wurden in erster Linie als potenzielle (Lebens-)Gefahr angesehen statt als bereichernde Individuen, mit denen man „gemeinsam Wissen schafft.“
Daher möchte ich (25, bis März 2023 Studentin an der WWU) im Folgenden einen Blick auf DIE Institution in Münster werfen. Die Stadt rühmt sich gerne der großen und renommierten Universität. Wäre die „Corona-Zeit“ eine Prüfung gewesen, wäre die WWU jedoch gnadenlos durchgefallen. Die Belange von 45.000 Studenten wurden ignoriert, politische Maßnahmen unhinterfragt übernommen und alle an der Universität Tätigen zur Unmündigkeit degradiert, indem man – sofern die Gebäude überhaupt geöffnet waren – alle drei Meter plakativ ans „Maske auf/Abstand halten“ erinnert wurde. „Wir tragen Maske“ wurde propagiert – sprachlich umgesetzt in einem unerschütterlichen Aussagesatz mit inhärentem Kollektivzwang.
Angesichts der Isolation, die die „Online-Semester“ mit sich brachten und der Schwierigkeiten, die durch wegfallende Nebenjobs und geschlossene Bibliotheken etc. entstanden, hätte man in einer Studentenstadt wie Münster mit erheblichem Widerstand rechnen können – oder zumindest mit Rufen nach der Berücksichtigung studentischer Interessen.
Beides blieb in weiten Teilen aus. Für mich, die sich viel mit den Studentenrevolten und sozialen Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre beschäftigt hat, waren die Kritiklosigkeit und die geradezu engagierte Befolgung staatlicher Gewaltmaßnahmen innerhalb der Studentenschaft nicht zu begreifen. Politische (und teils korrupte) Funktionsträger wurden vehement verteidigt, das Profitstreben der Pharmaindustrie negiert und Datenschutz als gänzlich unnötig abgetan. Leben retten wollten alle, die Grundrechte nur die wenigsten… – wobei „Leben“ sich hier ausschließlich auf Corona-Erkrankte bezog, nicht auf suizidgefährdete Jugendliche, traumatisierte Kinder oder an Einsamkeit verstorbene Senioren.
Dabei zeichnete sich die Universität Münster jedoch nicht nur durch ihre passive Untätigkeit aus, sondern wirkte auch aktiv an Diskriminierungspraktiken und der Entmündigung der Bürger mit. So verkündete man etwa am 27.05.2021 stolz, dass sich gemäß der „Impfhierarchie“ nun „endlich“ auch Beschäftigte an Hochschulen den „Pieks“ abholen könnten. Am 29.07.2021 frohlockte das Rektorat daraufhin mit einer Impfung für Studenten und alle anderen Willigen direkt auf dem Uni-Gelände (!). In der Rundmail dazu hieß es unter anderem: „Gehen Sie einfach hin und lassen Sie sich impfen – unkompliziert, direkt und ohne vorherige Terminabsprache! […] Das Impfangebot ist öffentlich! Sollten Sie also noch weitere Personen ohne Impfschutz kennen, ermuntern Sie diese gerne, sich mitimpfen zu lassen.“
Später setzten die Dozenten dann teils akribisch die 3G-Pflicht um, denn im gesamten Wintersemester 2021/22 genügte es bekanntlich nicht, gesund (!) zu sein, um die Uni betreten zu dürfen. Vielmehr wurden zu dieser Zeit kleine lila Aufkleber auf die Studentenausweise geklebt, die den jeweiligen Besitzer fortan als besonders „solidarisches“, da geimpftes, Mitglied der Universitäts“gemeinschaft“ auszeichneten. Zu Beginn der Seminare wurden diese Ausweise von den Studenten mit großer Selbstverständlichkeit auf die Tische gelegt, um von den Dozenten reihum kontrolliert zu werden. Wer stattdessen einen weißen Zettel vom Testzentrum vorzeigte, war sogleich öffentlich als „Querdenker“ entlarvt. Wie problematisch derartige Praktiken in sozialer, rechtlicher, bildungspolitischer und historischer Hinsicht waren, zu erläutern, würde an dieser Stelle zu weit führen. Fest steht, dass die ansonsten so diskriminierungssensible WWU zu einem Ort massiver Diskriminierungen wurde. Lediglich einige Einzelpersonen aus dem akademischen Umfeld, etwa Prof. Dr. Oliver Lepsius oder Prof. Dr. Paul Cullen, meldeten sich hinsichtlich der Grundrechtseinschränkungen und der übergriffigen Impfkampagne kritisch zu Wort. Der Verfassungsrechtler Lepsius bezeichnete es in einem SPIEGEL-Interview jüngst als „Versagen [s]einer Zunft, dass in der Abwägung [der Gerichte] die Grundrechte zurücktraten“. Eine inneruniversitäre Debatte über Lepsius‘ weitsichtige und gesellschaftsrelevante Thesen sowie die Forderung nach Aufarbeitung erfolgte indes nicht. Anders war es im Fall des Molekularbiologen Cullen: Der AStA der WWU und die offenbar recht unkritischen „Kritischen Mediziner*innen“ forderten im Januar 2021 eine Distanzierung der Uni von Cullens Äußerungen sowie ggf. einen Entzug seiner außerplanmäßigen Professur, da er sich „unwissenschaftlich, antiemanzipatorisch und antisemitisch“ äußere und „durch die Verbreitung von Verschwörungsideologien“ auffalle. Eine sachlich-inhaltliche Entkräftung seiner Argumente zum Schweregrad von COVID-19 und dem Einsatz von Impfstoffen erfolgte derweil – wie so oft bei persönlichen Diffamierungen – nicht. Der Medizinischen Fakultät ist in diesem Zusammenhang zugute zu halten, dass sie eine Aberkennung der außerplanmäßigen Professur zurückwies, da gerade kein „wissenschaftliches Fehlverhalten“ vorgelegen habe.
„Man hat es damals ja nicht besser gewusst“, rechtfertigen sich heute viele derer, die „mitgemacht“ haben. Bezeichnend – und aus meiner Sicht traurig – ist jedoch, dass auch an einer anschließenden Aufarbeitung des Geschehens kaum jemand Interesse hatte. An der im Wintersemester 2022/23 stattfindenden Ringvorlesung von Prof. Dr. Peter Oestmann und Prof. Dr. Jürgen Overhoff mit dem Titel „Bildung zur Freiheit – Universitäre Lehre in der Corona-Zeit“ nahm oft nur eine Handvoll Studenten teil, von Dozenten ganz zu schweigen. Die meisten der interessierten Zuhörer kamen aus der Stadtgesellschaft.
Dazu hat wohl auch beigetragen, dass die verschiedenen Fachbereiche die interdisziplinäre Vorlesung kaum oder gar nicht beworben hatten, obwohl sie im Grunde die gesamte Universität betraf. Als ich meine beiden Fachschaften auf die Ringvorlesung aufmerksam machte, wurde der Hinweis schlicht ignoriert. Statt in diesem Rahmen miteinander ins Gespräch zu kommen und reflektiert über das Geschehene zu diskutieren, zogen es die Studenten gemeinhin vor, sich trotz aufgehobener Maskenpflicht in den Seminaren weiterhin qua Maske ihrer „Solidarität“ zu versichern.
Mit „Gemeinschaft“ hatte der Unialltag während der fünf Corona-Semester somit wenig zu tun. Persönliche Kontakte blieben zwischen Studenten, zwischen Dozenten sowie zwischen beiden Gruppen nahezu vollständig aus. Ein „Gemeinschaftsgefühl“ entstand höchstens unter den Anhängern der „Impfbewegung“. Alle, die deren Ansichten nicht uneingeschränkt teilten, wurden dagegen von der Gemeinschaft ausgeschlossen.
Auch die „Gesamtheit“ war seit 2020 ein vergessenes Prinzip der Universität. Über viele Monate hinweg fokussierten sich die Universitäten wie auch die Politik und mediale Öffentlichkeit mit ihren Regeln auf eine vergleichsweise kleine Gruppe von Alten und Vorerkrankten. Die „Gesamtheit“ der Bevölkerung wurde hingegen übersehen. Gleichermaßen wurde an der Universität nicht die „Gesamtheit“ der Meinungen widergespiegelt. Im Kontrast zum eigentlich diskursiven und freien Charakter des universitären Austauschs traten ausschließlich Befürworter des „Corona-Regimes“ in Erscheinung – dies kam insbesondere in den oben zitierten Rundmails des Rektorats zum Ausdruck – und sprachen, ebenso wie vernunftsferne Politiker, paradoxerweise von DER Wissenschaft, die die Maßnahmen legitimiere.
Wissenschaft besteht aber gerade aus der produktiven Diskussion verschiedener Thesen und Ansichten. Wissenschaft ist bunt. Wissenschaft ist vielfältig. Während Corona zeigten sich viele Dozenten wie auch Studenten jedoch unfähig, sachlich, weitsichtig und demokratisch miteinander zu argumentieren, da sie von ihnen selbst abweichende Meinungen pauschal (und oft völlig sinnfrei) als „rechts“ brandmarkten oder sich nicht trauten, Kritik am staatlichen Kurs zu äußern. Angesichts von harten Sanktionierungen, wie im Fall Ulrike Guérot, dürften im Nachhinein vermutlich nicht wenige Dozenten zufrieden mit ihrer Entscheidung zu stillschweigender Akzeptanz sein.
Für die Studenten gilt derweil, dass die meisten sich nicht nur stumm hinter der Konformität versteckten, sondern vollends überzeugt von den Regierungsentscheidungen waren. Mehrfach habe ich mich verzweifelt gefragt, wie selbst intelligente Studenten mit Bestnoten die offensichtlichen Unsinnigkeiten des Maßnahmen-Wirr-Warrs nicht erkennen konnten oder wollten. Nicht wenige frühere Freunde waren gar derart fanatisch, dass es unmöglich war, ihnen meine Sicht der Dinge überhaupt darzulegen.
Anderen waren die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen schlicht egal. Politisches Interesse haben, abgesehen vom Bereich Gendern, ohnehin nur noch die wenigsten Studenten, so mein Eindruck. Im Vordergrund des Denkens und Handelns stehen vielmehr egoistische Motive wie Eigennutz. Dabei ließen sich diese während Corona besonders gut durch „Solidarität“ verdecken. Impfen lassen hatte man sich freilich nur für „die anderen“ (wenngleich dies bei dieser Impfung jeder medizinischen Logik entbehrte), nicht, um selbst Zugang zu Restaurants, Kinos, Clubs oder Transportmitteln zu erhalten. Solidarität mit maskierten Schulkindern oder Ladenbesitzern kurz vor der Pleite, die man etwa auf Demos hätte kundtun können, blieb derweil aus – denn davon profitierte man selbst ja nicht.
Für mich persönlich war das durch politisches (und auch universitäres!) Versagen verursachte gesamtgesellschaftliche Leid demgegenüber unerträglich. So kam es, dass ich seit März 2021 fast jeden Samstag auf diversen bundes- und landesweiten Demos unterwegs war und montags auch regelmäßig in Münster spazieren ging. Bisweilen traf ich dabei gleichaltrige Mitstreiter in anderen Städten, in Münster dagegen fast nie. Zu „vorbildlich“ wollten sich die Studenten verhalten, zu sehr waren sie auf direkten Eigennutz und zu wenig auf politisches Engagement für eine demokratische und menschliche Gesamtgesellschaft fokussiert, zu klein war die Stadt Münster, um protestieren zu gehen – man hätte ja gesehen werden können.
So blieb und bleibt die Universität Münster bis auf wenige Individuen stumm. Ich selbst rang und ringe bis heute nach Worten, um das zu beschreiben, was seit 2020 passiert ist. Ein paar habe ich gefunden und sie in Gedichte verpackt, um die Erlebnisse zu verarbeiten und schriftlich festzuhalten. Einen meiner ersten kurzen Texte teile ich hier abschließend. Er handelt von den Absurditäten des „Gesundheitsschutzes“, der in Zeiten von Corona ins völlige Gegenteil verkehrt wurde – auch an der WWU.
Definition
Wenn aus Freunden Feinde werden,
wenn Kinder nicht mehr spielen,
wenn alte Menschen einsam sterben,
wenn Familien zerfielen.
Wenn Verkäufer nichts verkaufen,
Studenten nicht studieren,
Spaziergänger nicht laufen,
Friseure nicht frisieren.
Wenn alle nicht mehr reden,
wenn Krankheiten sich ausbreiten,
wenn Jugendliche nichts erleben,
wenn Korrupte Konferenzen leiten.
Das ist Gesundheitsschutz.